Im Rahmen des Alpinkader NRW wurde uns als dritter Alpinkadermannschaft im Juli eine Woche mit unseren Co-Trainern Martin und Matthias angeboten. In der Woche war es eigentlich geplant unser Können im Alpinklettern zu festigen und auszubauen. Es sollte jedoch etwas anders kommen. Durch den brutalen Prüfungsstress, der Studierenden zugemutet wird, fielen bis auf mich (Albert) alle Teilnehmenden des aktuellen, dritten Alpinkaders aus und so bestand unser Team für die Woche aus Martin (erster Alpinkader NRW), Matthias und Tillmann (zweiter Alpinkader NRW) und mir. Geplant war von Martin und Matthias eigentlich eine Woche am Wilden Kaiser; da wir aber nun wesentlich weniger Leute waren als kalkuliert, waren wir flexibler was unser Touren angingen. Es stellte sich schnell heraus, dass wir alle eigentlich mehr Lust auf Hochtouren hatten und auch die Wettervorhersage für die Westalpen besser war, und so viel die Wahl auf Chamonix.

Martin, Matthias und ich trafen uns am Samstagabend in Chamonix, wo wir direkt den ersten Dämpfer erlebten. An so gut wie allen Stehplätzen, wo man sich bisher gut zum Übernachten mit dem Auto hinstellen konnte, standen nun Verbotsschilder. Kurz darauf die nächste Enttäuschung: das bisher als stabil vorhergesagte Wetter hatte sich wie aus dem Nichts in äußerst wechselhaft mit viel Starkwind verändert. Die Bedingungen erzeugten zunächst Ratlosigkeit. Als Tillmann am nächsten Tag zu uns traf, schauten wird uns deshalb erstmal die in Chamonix stattfindende Weltmeisterschaft im Lead-Klettern an. Die Idee, eine Überschreitung der Aiguille du Verte zu machen, verwarfen wir aufgrund der Windlage schnell. Die Wahl fiel schließlich auf die weniger hohe und dementsprechend etwas weniger dem Wind ausgesetzte Aiguille du Tour, was auch der Akklimatisation guttun sollte.

Und so begannen wir unsere erste Tour erst einmal mit einer Fahrt um das halbe Mont-Blanc-Massiv herum nach Champex in der Schweiz. Von dort stiegen wir bis zur Trient-Hütte hoch und schlugen unser Biwak etwas abseits der Hütte auf. Hier hatten wir einen wunderschönen Biwakplatz mit phänomenalem Blick u.a. auf die Aiguilles Dorées, und außerdem Wasser aus einem naheliegenden Schneefeld. In der Nacht wurden wir dagegen von kleineren Hagelschauern geweckt. Nichtsdestotrotz machten wir uns am nächsten Morgen zügig in Richtung Aiguille du Tour auf den Weg. Hier hatten wir geplant um die Aiguille du Tour herum zu laufen und über den Arete de la Table zum Gipfel aufzusteigen. Als wir über den Gletscher liefen, merkten wir aber auch bald, das daraus nicht werden würde. Der gesamte Gipfel war in Wolken gehüllt und mit starkem Wind kam auch ab und zu Niederschlag dazu. So beschlossen wir, den Normalweg hinaufzugehen, um wenigstens den Gipfel zu holen. Bei eisigem Wind und Nieselregen erreichten wir den Gipfel. Ein schnelles Foto und wieder direkt runter. Beim Abstieg wurde unsere Wahl, die ursprüngliche Planung zu verwerfen, als richtig bestätigt. Ein eisiger Hagelschauer prasselte auf uns herunter und die Felsen des Gipfelaufbaus waren komplett nass. Zurück am Biwak stopften wir alles in die Rücksäcke und begannen nach einer Kaffeepause an der Trient-Hütte den Abstieg. Zum Glück bot uns Champex einen wunderschönen See, an dem man im Gras liegen und dabei auch noch die nassen Schlafsäcke trocknen konnte.

Nach unserer Erfahrung an der Aiguille du Tour fiel uns die Entscheidung leicht, am folgenden Tag etwas Alpinklettern zu gehen. In Barberine, an der Grenze von Frankreich und der Schweiz, erwartete uns ein wunderschöner Granit-Fels, der kaum abgegriffen war und gute Absicherung bot. Von den angesagten Sturmböen am Mont-Blanc-Massiv bekamen wir hier nichts mit. Diesen Tag beendeten wir zur Abkühlung mit einem Sprung in den nächsten Bach.

Durch die zeitliche Begrenzung blieben uns kaum noch Möglichkeiten für eine ausgedehnte Hochtour. Und das Wetter war auch einfach zu wechselhaft. Jedoch blieb uns ein kleines Zeitfenster, in dem im Wallis relativ gutes Wetter angesagt war. Dies wurde aber wohlgemerkt auch von anderen Bergsteigern zur Genüge genutzt. Bei einem Blick auf Buchungsoptionen bei Hütten und Biwakschachteln fiel uns auf, dass schon fast überall alles ausgebucht war. Mit etwas Glück konnten wir uns noch vier Plätze an der Mischabelhütte reservieren. Das Ziel unserer letzten Tour war die Lenzspitze über den Ostgrat mit Überschreitung zum Nadelhorn – ein Klassiker. Nach einer Nacht in der Mischabelhütte begannen wir früh morgens mit dem Aufstieg. Der Ostgrat, zu Beginn noch flach genug zum Gehen, stieg bald steil an und wir gingen bei einem großen Gendarm in die Gratkletterei über. Hier Kletterten wir in zwei Seilschaften, Tillman mit Matthias und Martin mit mir. Der Fels war an vereinzelten Stellen brüchig, jedoch im Großen und Ganzen in Ordnung und bot schöne Gratkletterei im Morgenschein. Die Schwierigkeiten liegen hauptsächlich im II. bis III. Grad und an den schwierigen Stellen sind sogar einzelne Haken vorhanden. Auch die Abseilstellen sind abgesichert. Allerdings kosteten uns zwei Verhauer aufgrund einer  für uns unklaren Tourenbeschreibung Zeit. Nach einem Firnaufschwung, bei dem wir doch noch unsere Steigeisen brauchten, und einer letzten kurzen Kraxelei kamen wir auf den Gipfel der Lenzspitze. Hier hatten wir einen wunderschönen Ausblick auf den Rest der Mischabelgruppe und auf die gegenüberliegenden Bergmassive. Nach einem Gipfelfoto ging es für uns weiter in Richtung Nadelhorn. Die Traverse bestand zunächst aus einem kurzen Abstieg, danach ging es aber bald wieder aufwärts zum Gipfel. Der Fels war hier nahezu durchgehend kompakt und wir genossen die wunderschöne Gratkletterei. Allerdings ging es Tillmann in der Höhe schlecht, so dass wir von einer möglichen Verlängerung der Tour über die weiteren Viertausender auf dem kompletten Nadelgrat bald abgesehen haben, um schnellstmöglich nach dem Nadelhorn tiefer zu kommen. Es gibt auf dem Grat drei Türme, die man am besten überklettert und jeweils an Eisenstangen abseilt. Wir erreichten das Nadelhorn allein und stiegen nach einer kurzen Pause zügig vom Gipfel über das sehr windige Windjoch wieder zurück zur Mischabelhütte und danach nach Saas-Fee. Eine sehr lohnende und wunderschöne Abschlusstour für unsere Woche.

Alles in allem hatten wir eine tolle Woche. Wir konnten trotz des unbeständigen Wetters ein paar super Touren machen und eine ausgesprochen gute Zeit in den Bergen verbringen. Ich selbst konnte neue Erfahrungswerte sammeln und von dem Können der Co-Trainer dazulernen.